Obwohl Johann Heinrich von Thünen seine Theorien auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften außerhalb der universitären Forschung und Lehre entwickelte und verbreitete, wird er heute als einer der bedeutendsten Nationalökonomen international geschätzt.
In seinem Hauptwerk „Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie“, das ab 1826 in drei Teilen erschien, suchte und fand er vielfach bis heute gültige Antworten auf ökonomische Fragen.
Eindrucksvoll nutzte bzw. entwickelte er Werkzeuge und grundlegende Methoden der heutigen Wirtschaftswissenschaften: algebraische Darstellung wirtschaftlicher Zusammenhänge, mikroökonomische Zielfunktionen im Verbund mit technischen Produktionsfunktionen, Differentialrechnung und Marginalanalyse.
Er verwandte in seinen Modellen eigene Betriebs- oder veröffentlichte Marktdaten und überprüfte die damit erzielten Ergebnisse stets an der Realität. Das knapp 40 km entfernte Rostock war dabei der zentrale städtische Markt, mit dem u.a. sein eigenes Gut Tellow als landwirtschaftlicher Betrieb in der Getreidebauzone seines volkswirtschaftlichen Modells eng verbunden war.
Ausgehend vom Tauschverhältnis zwischen städtischen Produkten und Getreide im Zentrum sowie Transportaufwänden bestimmte er Anbauzonen, Agrarpreise, Produktionsintensitäten, Bodenrenten, Arbeitskräfteverteilung und die Ausdehnung des Isolierten Staates. Mit den sich ergebenden Thünenschen Kreisen bzw. Ringen (1826) wurde er zum Begründer der Standort- und Raumwirtschaftslehre und gab der Wirtschaftsgeographie wichtige Impulse.
Im 1850 veröffentlichten zweiten Band seines Hauptwerkes bestimmte Thünen Löhne, Zinsen und Produktpreise in einer Volkswirtschaft mit der von ihm erstmals entwickelten Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung, seiner Kapitaltheorie und der bis heute kontrovers diskutierten Bestimmung des sogenannten naturgemäßen Lohns. In seinen unveröffentlichten Manuskripten modelliert er weitere volkswirtschaftliche Szenarien.
Wichtige weitere Ergebnisse seines wissenschaftlichen Schaffens blieben bis heute größtenteils unveröffentlicht und weithin unbekannt: umfangreiche Beiträge zur Humankapitaltheorie, zur Außenhandelstheorie und zur effizienten Nutzung von Gemeinschaftsgütern (1831) sowie die Erörterung unterschiedlicher Produktionsfunktionen (u.a. der Cobb-Douglas-PF).
Thünens Überlegungen mündeten in Zukunftsvisionen gesellschaftlicher Entwicklungen. Er sah voraus, dass die sich verändernde bürgerliche Welt immer mehr vom Wirtschaftlichen bestimmt sein würde, und er forderte, dass die Wirtschaftswissenschaften damit unbedingt Schritt halten müssten, um wirtschaftliches Verhalten zu erklären, aber auch zu gestalten.
Thünen stellte Überlegungen zu einer leistungsgerechten und volkswirtschaftlich effizienten Steuerreform an (1846).
Thünen setzte sich gemeinsam mit seinem Gutsnachbar Johann POGGE (1793 – 1854) für den Bau einer Chaussee von Rostock nach Neubrandenburg ein. Er propagierte die Vorteile von ausgebauten Verkehrswegen sowie den positiven Einfluss von Kunststraßen auf die Vergrößerung des Nationalreichtums. Ein Gutachten Thünens hierzu fand in wesentlichen Teilen im 1831 von der Mecklenburg-Schwerin´schen Landesregierung publizierten „Actien-Plan für die Rostock-Neubrandenburger Chaussee“ wieder.
Thünens grundlegende geldtheoretische sowie seine Taxations-Analysen (1817, 1823 und 1831) wurden u.a. beim Aufbau eines Kreditsystems in Mecklenburg verwandt.
Obwohl die wichtigsten Veröffentlichungen Thünens erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in englischer Sprache zugänglich sind, wird er von wichtigen Ökonomen national wie international als eigenständiger Denker und Pionier der Wirtschaftswissenschaften hochgeachtet (u.a. Wilhelm Roscher, Alfred Marshall, Karl Marx, Joseph A. Schumpeter, Paul Krugman, Paul A. Samuelson). Die wissenschaftliche Vereinigung deutschsprachiger Ökonomen, der Verein für Sozialpolitik (VfS) würdigt ihn auf ihrer Jahrestagung alljährlich mit einer „Thünen-Vorlesung“.
„Thünen gehört mit Leon Walras, John Stuart Mill
Nobelpreisträger Paul A. Samuelson 1986
und Adam Smith ins Pantheon der Ökonomen;
es ist der innere Kreis der Walhalla, den sie einnehmen,
wie Schumpeter sagen würde.“